Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es ist so viel passiert in den letzten Monaten, dass alles ganz dicht und verwoben ist. Fast ein Jahr ist es jetzt her, dass ich meinen mehrjährigen Arbeitsplatz verlassen und mich auf den Weg gemacht habe. Da war damals diese Stimme in mir, dieses Gefühl: „Geh… geh… es wartet noch etwas auf dich … da draußen wartet etwas… “ Zunächst schien mir recht klar zu sein, was da auf mich warten würde: Mein Plan war ins nächstgelegene Ausland zu gehen und mir dort ein neues – oder weiteres – Leben aufzubauen. Meine anfängliche Motivation stieß immer wieder auf Hindernisse: sei es in der Job- und Wohnungssuche als auch im emotionalen, entwicklungstechnischen Bereich. Aus Frühling wurde Sommer, aus Sommer Herbst und gegen November nahm meine Begeisterung gehörig ab. Wer will schon im November umziehen? Andererseits graute mir davor, gewisse Dinge wieder zu erleben, im gleichen Umfeld, mit den gleichen Gefühlen und dem gleichen Ausgang. Doch vorerst blieb mir nichts anderes übrig.
Dann, eines Januartages, packte mich eine alte Angst so fest im Nacken, dass ich spontan beschloss, mir doch hier, in meiner Heimatstadt, einen Job zu suchen. Etwas, was ich eigentlich hatte vermeiden wollen – aus Sorge, dass ich dann nicht mehr ins Ausland gehen würde. Aber die Aussicht in diesem Moment, wieder in alte Muster, in alte Seins-Zustände zurückzufallen, war noch schlimmer. Zusätzlich saß mir das Arbeitsamt ziemlich im Nacken. Also, Job her. Zwischen diesem Moment, meiner Bewerbung und der Jobzusage vergingen kaum mehr als 24 Stunden – scheinbar ein Glückstreffer! Äh ja, scheinbar… Ich sage nur so viel dazu: Das war die Zeit, in der das mit der Unzufriedenheit begann.
Heute, drei Arbeitserfahrungen reicher, merke ich: Es geht ums Wesentliche. Diese Unzufriedenheit, die mir anfangs noch so auf die Nerven ging und mich belastete, will mir etwas sagen. Beziehungsweise sie will mich etwas fragen: Was willst du? Wer willst du sein? Was willst du tun? Wie willst du dein Leben leben, wie es gestalten?
Unzufriedenheit – und es hat eine Weile gedauert bis ich das verstanden habe – ist nichts anderes als Unerfülltheit. Und das wiederum ist nur Ausdruck dessen bzw ein Hinweis darauf, dass etwas (oder in meinem Fall mehreres bis vieles) nicht so läuft wie es laufen könnte. Wie man es braucht. Wie ein blinkendes Signal, das einem sagt: Hier braucht es Veränderung.
Also nein, ich bin nicht ins Ausland gegangen. Vorerst passt das auch so für mich, meistens zumindest. Mir ist klar geworden, dass ich viele falsche Gründe hatte, um zu gehen. Sicher auch ein, zwei richtige. Aber mehr falsche. Und: Eine richtige Entscheidung, getroffen aus den falschen Gründen, ist falsch.
Ich stelle viel in Frage. Beziehungsweise: Es wird viel in Frage gestellt. Manchmal habe ich das Gefühl, mit jedem vergangenem Tag weniger zu wissen. Was ganz schön gruselig ist, vor allem für jemanden, der sich eigentlich mit Veränderung und Ungewissheit nicht so gut verträgt. Aber ja, Ungewissheit. Mit jedem Tropfen Sicherheit, der aus meinem Leben fließt, wird die Ungewissheit größer. Interessant ist nur, dass darunter aber wieder eine Art Sicherheit wächst, wenn auch eine andere; eine, die besser zu mir passt. Muss man nicht verstehen; es reift erst in mir.
Dankbar bin ich dafür, dass ich heute – nach etwa vier Monaten – wieder schreibe. Weil schreiben für mich ganz viel mit Erfüllung zu tun hat. Ich wüsste doch eigentlich, was mir gut tut… warum tue ich es dann nicht? Mensch sein ist ganz schön kompliziert, eh. Ein Wahnsinn. Ein kompletter Wahnsinn. Und ich mittendrin.