Du

Wie fühlt man das Unfühlbare?
Wie findet man Worte für das, was man nicht aussprechen kann?

Eben noch ging es mir recht gut. Ziemlich gut sogar, erstaunlich. Dabei war mir schon irgendwo im Hinterkopf klar, dass es das nicht gewesen sein kann. Ich kann unmöglich schon abgeschlossen für mich haben mit dieser Sache, kann unmöglich schon damit im Frieden sein. Das wäre zu einfach. Das wäre nicht echt.
Also, eben noch war „alles gut“. Ich habe einen sehr angenehmen Tag gehabt heute. Mit Ruhe und viel Sonnenschein. Mit Musik. Mit Sonntagsgefühlen.
Dann, vor etwa ein, zwei Stunden, beschloss ich, mich endlich an den Text für den Literaturwettbewerb zu setzen, an dem ich teilnehmen möchte. Einsendeschluss ist in knapp zwei Wochen und ich will nicht alles auf den letzten Drücker machen. Das mag ich nicht. Zeitdruck.
Ich setzte mich also an den Text und wollte eigentlich über etwas ganz anderes schreiben. Doch dann kam plötzlich dieses Thema, wie von allein, dieses DU-Thema.
Und schon beim Schreiben merkte ich: Oh oh, das ist gar nicht gut…

Ich musste es tatsächlich auch nach etwa einer halben Seite lassen, das mit dem Schreiben über das DU-Thema. Ich fühlte mich, als wäre da ein innerer Widerstand in mir. Etwas, was nicht an gewisse Gefühle erinnert werden will. Etwas, was gewisse Gefühle nicht fühlen will. Wo es mir doch grade noch so gut ging… Muss das jetzt sein?

Und jetzt, jetzt fühle ich mich wie ein Glas Wasser, in dem der Dreck aufgewirbelt wurde. Dabei hatte sich mein Wasser doch gerade erst beruhigt…! Es war doch gerade so schön klar und friedlich!
Dahin ist die Ruhe. Dahin der scheinbare Seelenfrieden, der zwar echt war – und doch auch wieder nicht.
Ich weiß, dass es damit nicht getan ist. Mit diesen paar Tagen, 2 Wochen, DU-Thema. Dass es früher oder später zu mir zurückkommen musste. Man kann das nicht so schnell verkraften, seinen Lieblingsmenschen zu verlieren. DICH zu verlieren.
Auch wenn es nur zeitweise ist – hoffentlich –, das mit dem Verlieren.
Es ist brutal. Du warst immer diejenige, von der ich sagte, es wäre am schwersten sie zu verlieren. Diejenige, die sich für mich am meisten wie Familie anfühlt. Diejenige, mit der ich über alles reden kann – selbst über die „unmöglichen“ Dinge.
Und jetzt passiert genau das. Ich verliere dich. Auch wenn es nur zeitweise ist – hoffentlich.

Jetzt sitze ich hier und habe ein aufgewirbeltes Glas Wasser in der Hand. Der Dreck darin zieht Kreise, strudelt, schwirrt umher.
Es ist unschön anzusehen.
Anfühlen tut es sich noch viel schlimmer. Ich sehne mich zurück nach meinem ruhigen, klaren Wasser, ohne Wirbel, ohne Dreck. Einfach eine glatte, sanfte Wasseroberfläche, durch die man bis auf den Grund hinabsehen kann.
Nun, mein Grund wurde aufgewirbelt. Dinge, die abgesunken sind, kehren zurück an die Oberfläche. Ich weiß, dass das langfristig gesehen besser ist. Nichts kann wirklich ruhen, dessen Zeit noch nicht gekommen ist. Gefühle sind zum Fühlen da.
Doch ich habe Angst. Ich weiß nicht, ob ich das schaffen kann. Habe ich schon erwähnt, dass du mein Lieblingsmensch bist? Wie verliert man diesen einen Menschen? Wie geht das? Wie schafft man das?

Ich sitze hier mit einem aufgewirbelten Glas Wasser in der Hand.
Wie fühlt man das Unfühlbare?
Und wie findet man Worte für das, was man nicht aussprechen kann?

 

 

Quelle Bild: unsplash.com

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