Rollenspiele

Wir alle haben Rollen, die wir im Laufe unseres Lebens übernehmen.

Ich bin eine „Kümmrerin“, ich kümmere mich um andere Menschen.

Ich achte darauf, dass es ihnen gut geht, und wenn es ihnen nicht gut geht, versuche ich herauszufinden, was ich tun kann, damit es ihnen besser geht.

Ich kann ganz wunderbar zuhören und habe viel Verständnis für alles mögliche. Ich kann Menschen das Gefühl geben, verstanden zu sein. Aufgehoben zu sein. Nicht allein zu sein.

Es belastet mich, diese „Gabe“. Diese angelernte – oder doch schon angeborene? – Fähigkeit, zuzuhören und zu verstehen. Es belastet mich. Weil es mir das Gefühl gibt, dass ich für andere lebe. Es ist anstrengend. Und nebenbei habe ich den Glaubenssatz entwickelt, dass ich nur dann von anderen gemocht werde, wenn ich nützlich für sie bin.

 

Ich bin ein Chamäleon. Ich passe mich an, je nachdem, wer sich gerade in meiner Gegenwart aufhält.

Das tun wir wahrscheinlich alle ein bisschen, das Sich-Anpassen. Oder zumindest die meisten von uns.

Bei mir ist es leider ein bisschen extrem geworden. Extrem in dem Sinne, dass ich oft das Gefühl habe, dass ich mich nicht nur anpasse, sondern fast schon aufgebe.

Ich habe mich so lange auf andere konzentriert, was sie brauchen, wollen, wie es ihnen geht, dass ich mich selbst immer mehr ausgeblendet habe.

Grundsätzlich schon sensibel veranlagt, habe ich mir antrainiert, mich auf andere zu konzentrieren. Wie fühlen sie sich? Was denken sie (von mir)? Wie kann ich ihnen nützlich sein?… Auf diese Weise entsteht eine Übermacht gegen die das eigene Ich keine Chance mehr hat. Der andere wird immer größer und ich immer kleiner. Ich bin verschluckt worden von all den Gefühlszuständen, Problemen und Bedürfnissen anderer.

Ich spüre so gut, was sie wollen, denken, brauchen, dass ich mich selbst oft nicht mehr wiederfinde in solchen Situationen.

Ich bin dann in meiner Rolle, gehe ganz auf in diesem Mich-um-andere-Kümmern, dass ich praktisch nicht mehr existent bin. Ich erfülle nur noch eine Funktion, habe aber vergessen wie es ist zu leben.

 

Andere kommen mir oft so stark, so groß, so übermächtig vor… und ich so klein, so schwach, so hilflos. So wertlos.

Ich weiß oft gar nicht mehr, wer ich bin, wenn ich mit anderen zusammen bin. Und auch im Allein-Sein hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich wieder gelernt habe, mich selbst zu spüren. Wahrzunehmen. Wie geht es mir? Was will ich? Was brauche ich? Wer bin ich?

 

Jetzt merke ich immer mehr: Ich mag meine Rolle nicht mehr. Ich mag meine Rolle nicht mehr spielen.

Einst hat sie einen Zweck erfüllt für mich. Einen wichtigen. Sie hat mir mein Überleben gesichert, denke ich. In einer Welt, in der alles groß und viel und überfordert war, hatte ich damals beschlossen, stark zu sein. Dinge zu übernehmen, die eigentlich gar nicht meine sind. Für andere das zu sein, was ich selbst gebraucht hätte und auch heute noch brauche: eine Schulter, eine Stütze ein offenes Ohr.

Ich glaube, wir alle wollen verstanden werden. Wir alle wollen wir selbst sein können und gleichzeitig geliebt werden. Und viele von uns haben Schwierigkeiten, diese zwei Dinge miteinander vereinbar zu sehen. So auch ich.

 

 

Quelle Foto: unsplash.com

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